Menschen der Wiener Gemeinde – Maschgichim

In den letzten Jahren hat in der großen jüdischen Gemeinde Wiens, die viele ethnische Gruppen unseres Volkes umfasst, die bucharisch-jüdische Gemeinde bei der Anzahl an koscheren Restaurants, Supermärkten und Lebensmittelgeschäften fest das Führungszepter übernommen. Die Zeit hat den großen Fleiß und den besonderen Eifer ihrer Mitglieder beim Erreichen materiellen Wohlstandes für die Familie, die Zukunft der Kinder und natürlich auch für ihre Gemeinde zum Vorschein gebracht.

Das Gedeihen der koscheren Einrichtungen ist eng mit einem guten Service verbunden, das eine sensible und aufmerksame Haltung gegenüber Besuchern und Kunden erfordert. Die Sauberkeit des Objektes, ein modernes, ansprechendes Design, sorgfältig ausgewähltes Personal und nicht zuletzt frische und qualitativ hochwertige Lebensmittel sind hier wichtig. Die Inhaber der Restaurants, Supermärkte und Lebensmittelgeschäfte halten sich sehr genau an diese ungeschriebenen Gesetze und befolgen sie streng, weil sie wissen, dass dies der Schlüssel zu wahrem Erfolg ist.

Eine nicht minder wichtige Rolle spielen in allen koscheren Einrichtungen die Maschgichim.

Ein Maschgiach ist ein Spezialist, der den koscheren Zustand der Einrichtung überwacht und kontrolliert. Keine jüdische Gastronomie, einschließlich der Schlachthöfe, Lebensmittel-erzeuger, Hotels, Altersheime, Restaurants, Metzgereien und Lebensmittelgeschäfte, kann sich der Kontrolle des Maschgiachs entziehen. Normalerweise arbeitet der Maschgiach als Inspektor vor Ort und vertritt eine koschere Zertifizierungsstelle oder den lokalen Rabbiner.

Heute möchte ich einige Vertreter dieses Berufsstandes der unsichtbaren Front unserer Gemeinde vorstellen. Sie wirken oft im Verborgenen, aber von ihnen hängen die Qualität, die Reinheit der Lebensmittel und das Vertrauen der Kunden und Endverbraucher dahingehend ab, dass sie in einer zuverlässigen koscheren Einrichtung einen Service nutzen oder einen Einkauf tätigen.

Ruben Israelov:

Ursprünglich bin aus Israel und in Wien lebe ich seit dem Jahr 1998. In der ersten Zeit musste ich, um meine große Familie (fünf Kinder) zu ernähren, jede Arbeit annehmen, die sich geboten hat, aber seit zweiundzwanzig Jahren arbeite ich nun schon als Maschgiach. Meine berufliche Tätigkeit habe ich im berühmten Restaurant «Bahur Tov» begonnen, wo ich über zehn Jahre lang gearbeitet habe. Zurzeit bin ich im koscheren Supermarkt «Shefa» beschäftigt. Neben meinen Festanstellungen bin ich auch auf jüdischen Veranstaltungen präsent, bei Schabbatons, Bar– und Bat-Mitzwas, Hochzeiten und vielen anderen religiösen Veranstaltungen. Aber in letzter Zeit sind solche Aufgaben wegen der Pandemie viel seltener geworden.

Bei der Arbeit des Maschgiach gibt es nichts Unwichtiges. Alles hat hier seine Bedeutung und es ist sehr verantwortungsvoll und nicht einfach, diese Aufgabe zu erfüllen. Die Arbeit umfasst mehrere grundlegende Aufgaben: die Überprüfung der koscheren Ausstattung der Küche (bei uns im «Shefa» wird erfolgreich eine Cafeteria betrieben) sowie die Begutachtung von Lebensmitteln, die mit einem Kaschrut-Zeichen versehen und mit einem Etikett als: «Koscher Parve», «Koscher Milch» oder «Koscher Fleisch», «Koscher für Pessach», streng koscher (la Mehadrin), koschere Milch, Brot, etc. gekennzeichnet sein müssen. Ein Maschgiach muss in der Lage sein, im Team zu arbeiten und zum Personal und zu den Kunden eine Beziehung des Vertrauens aufzubauen. Ich werde oft von Mitarbeitern und Kunden in Kaschrut-Fragen angesprochen und ich muss ihnen im Rahmen meines Wissens eine vollständige Erklärung geben können. Bei komplizierteren Fragen schicke ich sie zum Rabbiner.

Im «Shefa»-Supermarkt verbringe ich die meiste Zeit in der Fleischabteilung. Bekanntlich ist koscheres Fleisch das Fleisch von Tieren, das von der Thora her erlaubt ist. Das Tier muss gesund sein und – was sehr wichtig ist, es darf beim Schlachten keinen Stress haben. Alle koscheren Lebensmittel durchlaufen mehrere Stufen der Qualitätskontrolle und sind garantiert frei von schädlichen Zusatzstoffen. Ein sehr wichtiger Arbeitsschritt ist das Zerteilen des Fleisches – hier muss der Maschgiach äußerst aufmerksam sein und die Arbeit der Mitarbeiter verfolgen, die das Fleisch zum Verkauf vorbereiten.

All dieses Wissen habe ich an einem speziellen religiösen College in Israel erworben, nach dessen Abschluss ich das Recht bekam, ein Maschgiach zu sein. Und natürlich kann nichts mit der Erfahrung verglichen werden, die ich in zweiundzwanzig Jahren erworben habe. Bei all dem kann der Maschgiach nicht ohne die Hilfe des Himmels auskommen und ich danke dem Allmächtigen immer und überall für alles.

Aaron Abramov:

– Ich arbeite bereits das fünfte Jahr im kleinen, aber sehr gemütlichen jüdischen Restaurant «Yudale» als Maschgiach. Das Restaurant befindet sich auf dem « Volkertmarkt» im zweiten Wiener Gemeindebezirk und besteht aus vier ziemlich geräumigen Häuschen, die in einem Quadrat angeordnet sind. Zwischen den Häuschen gibt es breite Durchgänge, die im Sommer mit Tischen und dekorativen Sonnenschirmen, sowie mit frischem grünem Sichtschutz und Blumen bestückt werden. Die Besitzer des Lokals, Yulia und Euda Izhakow, haben für diejenigen, die unsere Küche genießen möchten, viel in modernes Design und Komfort investiert. In der Winterzeit ist das Restaurant auf seine Weise interessant, aber die Atmosphäre im Sommer ist einfach atemberaubend und zieht viele Besucher – nicht nur aus unserer Gemeinde, sondern auch alteingesessene Österreicher – an. Unter ihnen sind viele, die einen gesunden Lebensstil schätzen und erkannt haben, dass koscheres Essen ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg zur Erhaltung der Gesundheit darstellt. Im Übrigen hat sich in den letzten Jahren ein Bewusstsein hinsichtlich der Übereinstimmung der Begriffe «koschere Ernährung» und «gesunde Ernährung» gebildet. Dieses Bewusstsein ist aus gutem Grund entstanden, da koscheres Essen neben hohen Geschmackseigenschaften auch eine hervorragende Qualität aufweist. Es ist sauber, ökologisch, gesund und unverzichtbar für Personen, die einen gesunden Lebensstil gewählt haben. Koschere Produkte werden nach alten jüdischen Traditionen hergestellt, die die Prüfung der Zeit bestanden haben.

Ich möchte noch ein paar Worte zu den Aufgaben des Maschgiach sagen. Von großer Bedeutung sind das Waschen und Kontrollieren von Lebensmitteln um sicherzustellen, dass keine Verunreinigungen vorliegen. Pflanzliche Lebensmittel wie Gemüse, Obst, Getreide und dergleichen, sollten auch überprüft werden, ob sie nicht von Insekten oder Würmern befallen sind. Natürlich ist es notwendig, noch eine ganze Reihe anderer Vorsichtsmaßnahmen zu setzen.

Ilyau Sadykov:

 – Ich bin schon seit mehr als zwanzig Jahren Maschgiach. Studiert habe ich an einer speziellen religiösen Einrichtung unter der Aufsicht des berühmten Rabbiners Kook in Rehovot in Israel. Das Studium war sehr intensiv. Ich habe viele interessante Dinge gelernt und nicht gedacht, dass dieser Beruf so viel Wissen erfordert. Neben der Kenntnis der jüdischen Gesetze muss der Maschgiach zum Beispiel auch mit Ingenieurwissenschaften, Entomologie (Insektenwissenschaft), Metallurgie und Lebensmittelchemie vertraut sein, und das ist nur ein kleiner Teil dessen, was er wissen muss! Es ist wichtig, sehr vorsichtig und aufmerksam im Umgang mit diesen Disziplinen zu sein.

Die Thora enthält 613 Gebote, die fast alle wichtigen Aspekte des jüdischen Lebens streng regeln. Etwa fünfzig von ihnen (das sind 8%) beziehen sich auf Ernährungsfragen, d.h. auf die Kaschrut.

Das Wort «koscher» wird aus dem Hebräischen mit «geeignet» übersetzt und kann auf alles Mögliche angewandt werden. Koscher ist etwas, das den Regeln des Anstands entspricht und dem jüdischen Gesetz untergeordnet ist. Unsere Weisen haben daraus gefolgert, dass der Körper während des Verzehrs von koscherem Essen Nährstoffe erhält und die Seele den göttlichen «Funken», der in der Natur der Nahrung enthalten ist. Diese “Funken” stammen aus einer Quelle, die im geistigen Inhalt höher ist als das menschliche Bewusstsein. Koscheres Essen versorgt uns demnach mit spirituellem, intellektuellem und emotionalem Reichtum. Umgekehrt zieht nicht koscheres Essen eine Person zu einer spirituell «armen» Quelle hinunter, worüber man sich endlos unterhalten könnte.

Derzeit fahre ich regelmäßig mit dem Schächter (Schochet) und dem Rabbiner zum Schlachthof. Die Rolle des Maschgiach im Schlachthof ist mit hoher Verantwortung verbunden. Nach der Schlachtung muss der Tierkörper sorgfältig auf innere Mängel untersucht werden, die zunächst unsichtbar waren. Einige Organe (Lungen) sind unbedingt auf Narben hin zu überprüfen, die das Tier unkoscher machen. Nach sorgfältiger Inspektion ist es notwendig, das Fleisch für den Verkauf als koscher vorzubereiten. Die Thora verbietet den Verzehr bestimmter Fette und Organe (wie Nieren und Eingeweide), sodass sie von der Karkasse getrennt werden müssen. Üblicherweise werden die verbotenen Teile mit dem Wort «Chelev» bezeichnet, dieses Verbot gilt für Haustiere wie Rinder, aber auch für Ziegen und Schafe. Unbedingt entfernt werden muss der Ischiasnerv (Gid Hanasche), da seine Verwendung einem biblischen Verbot unterliegt.

Der Prozess der Entfernung der Chelev und des Gid Hanasche (Nikkur) gilt als äußerst schwierig, langwierig und zeitaufwendig. Für seine genaue Durchführung ist eine Spezialausbildung notwendig. Kleinere Fragmente des Chelevs an der Vorderseite des Tierkörpers sind relativ einfach zu entfernen, wohingegen die Arbeit im hinteren Bereich, wo sich der Ischiasnerv befindet, viel schwieriger ist.

Leider ist es in einem kurzen Gespräch kaum möglich, die facettenreiche Tätigkeit des Maschgiach umfassend zu beschreiben. Wenn Sie dieses Thema interessiert, so rate ich Ihnen, sich an einen Rabbiner zu wenden, der Spezialist für Fragen der Kaschrut ist.

In den koscheren Einrichtungen in Wien arbeiten auch andere unserer Maschgichim: Rakhmin Fayziev, Michael Totolov, David ben Avraam Ustoniazov, Emanuel Leviev, Avraam Meirov, die Rabbinerin Bella Israelov, der Rabbiner Serakh Avraam, Esther Abayev und viele andere.

 

Der Vorstand und das Rabbinat der Gemeinde danken diesen unermüdlichen Arbeitern für ihre nicht einfache und unersetzliche Tätigkeit, um die Sauberkeit und Koscherheit in unserer Gemeinde zu gewährleisten.

SHLOMO USTONIAZOV

Präsident der Bucharisch-Jüdischen Gemeinde

Wien, November 2021

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